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Urteil Verwaltungsgericht (LU - S 93 100)

Zusammenfassung des Urteils S 93 100: Verwaltungsgericht

Eine Person, die bei der Betriebskrankenkasse B versichert war, wechselte den Job und kündigte die Versicherung zum 31. Dezember 1992. Im Januar 1993 wurde sie bei der neuen Betriebskrankenkasse versichert. Trotzdem wurde eine zahnärztliche Behandlung im Dezember 1992 durchgeführt und im Januar 1993 in Rechnung gestellt. Die Krankenkasse B lehnte die Kostenübernahme ab, da die Person zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung nicht mehr versichert war. Nach einer Beschwerde beim Verwaltungsgericht wurde entschieden, dass die Krankenkasse die Behandlungskosten übernehmen muss, da der Zeitpunkt der ärztlichen Behandlung entscheidend ist und nicht der Zeitpunkt der Rechnungsstellung.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts S 93 100

Kanton:LU
Fallnummer:S 93 100
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Sozialversicherungsrechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid S 93 100 vom 07.10.1993 (LU)
Datum:07.10.1993
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Die Leistungspflicht der Krankenkasse für ärztliche Behandlung richtet sich in zeitlicher Hinsicht nicht danach, wann der Arzt seinem Patienten die Honorarrechnung zustellt oder diese datiert. Massgebend ist vielmehr der Zeitpunkt, in welchem die ärztlichen Leistungen erbracht worden sind. Der Anspruch auf Kassenleistungen für während der Kassenmitgliedschaft erfolgte ärztliche Behandlung geht mit dem Austritt des Versicherten aus der Krankenkasse nicht unter.
Schlagwörter: Behandlung; Krankenkasse; Rechnung; Zeitpunkt; Kasse; Anspruch; Arztrechnung; Leistungen; Patienten; Mitglied; Leistungspflicht; Verwaltungsgericht; Reglement; Recht; Leistungsanspruch; Behandlungen; Zahnarzt; Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Kalenderjahr; Honorarrechnung; Rechnungsdatum; Frist; Betriebskrankenkasse; Verfügung; Begründung; Rechnungsstellung
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:100 V 6;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts S 93 100

A war als Mitglied der Betriebskrankenkasse B unter anderem für zahnärztliche Behandlungen versichert. Infolge eines Stellenwechsels kündigte er das Versicherungsverhältnis mit der B per 31. Dezember 1992 und trat im Januar 1993 in die Betriebskrankenkasse seines neuen Arbeitgebers ein.

Im Juli 1992 hatte er sich bei seinem Zahnarzt Dr. med. dent. C angemeldet. Dieser behandelte ihn am 5. Dezember 1992 und stellte am 6. Januar 1993 Rechnung für Fr. 145.60. A leitete diese Rechnung an die Krankenkasse B weiter. Diese lehnte ihre Leistungspflicht mit Verfügung vom 9. Februar 1993 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, A sei zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung durch Dr. C nicht mehr bei ihr versichert gewesen.

Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt A, die Verfügung sei aufzuheben und die Krankenkasse B zu verpflichten, die Behandlungskosten zu übernehmen.

Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde mit folgender Begründung gutgeheissen.

Aus den Erwägungen:

1. - Es steht fest, dass der Beschwerdeführer bei der Krankenkasse B für zahnärztliche Behandlungskosten versichert war und dass er auf den 31. Dezember 1992 aus dieser Krankenkasse ausgetreten ist. Streitig ist lediglich, ob die Krankenkasse B für die am 5. Dezember 1992 erfolgte und am 6. Januar 1993 durch Dr. C in Rechnung gestellte zahnärztliche Behandlung aufzukommen hat.

2. - Die Kasse beruft sich auf Ziffer 3 ihres Reglementes über Zahnpflegevergütung vom 29. Mai 1984, welche unter dem Titel «Dauer des Anspruchs» wie folgt lautet:

«Der Anspruch auf Leistungen besteht pro Kalenderjahr. Massgebend ist das Rechnungsdatum.»

Die Kasse leitet aus dieser Formulierung ab, dass nicht der Zeitpunkt der zahnärztlichen Behandlung, sondern derjenige der Rechnungsstellung durch den Zahnarzt massgebend sei. Der Beschwerdeführer seinerseits macht demgegenüber unter anderem geltend, er habe das betreffende Reglement nicht erhalten, was jedoch von der Kasse bestritten wird. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben, da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ohnehin gutgeheissen werden muss.

3. - In dem in BGE 100 V 6 publizierten Urteil hatte sich das EVG mit folgendem Fall zu befassen: Ein Ehepaar stand im September und Dezember 1971 in ärztlicher Behandlung. Die entsprechenden Arztrechnungen datierten vom 29. Dezember 1971 bzw. 9. und 25. Februar 1972 und wurden vom Ehemann am 16. März 1972 an die Krankenkasse weitergeleitet. Diese vertrat die Auffassung, bei der Bestimmung der Höhe des Leistungsanspruchs sei nicht die niedrige, vor dem 1. Januar 1992 gültig gewesene Franchise, sondern die von ihr auf diesen Zeitpunkt in Kraft gesetzte neue, höhere Franchise anwendbar. Das EVG hatte deshalb zu prüfen, ob sich das anwendbare Recht nach dem Zeitpunkt der ärztlichen Behandlung nach dem Eingang der betreffenden Arztrechnung bei der Krankenkasse bestimmt, und führte aus: «Würde man darauf abstellen, wann die Arztrechnung bei der Krankenkasse eingeht, so müsste sich das anwendbare Recht nach dem rein aleatorischen Zeitpunkt richten, in welchem der Arzt Zeit findet, die Rechnung zu schreiben. Dass Rechtsungleichheiten die Folge wären, liegt auf der Hand.» Grundsätzlich müsse daher für die Bestimmung des anwendbaren Rechts der Zeitpunkt des Krankheitsfalles, d. h. der Zeitpunkt der ärztlichen Behandlung, als massgebend bezeichnet werden. Zwar sei nicht zu beanstanden, dass eine Krankenkasse für die Einreichung von Arztrechnungen, welche vorjährige Behandlungen betreffen, einen Termin setze, wenn diese Honorarnoten nach der altrechtlichen Kostenbeteiligungsregelung abgerechnet werden sollen. Durch die Wahl dieses Termins dürften aber der Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung und der Gegenseitigkeit nicht verletzt und die Rechte des Versicherten nicht übermässig und unnötig eingeschränkt werden.

4. - Diese Überlegungen gelten sinngemäss auch in Fällen der vorliegenden Art:

a) Die Leistungspflicht einer Krankenkasse für ärztliche Behandlung darf sich in zeitlicher Hinsicht nicht danach richten, wann der Arzt seinem Patienten die Honorarrechnung zustellt diese datiert. Massgebend ist vielmehr der Zeitpunkt, in welchem die ärztlichen Leistungen erbracht worden sind. Geschah dies zu einem Zeitpunkt, als der Leistungsansprecher bei der betreffenden Krankenkasse noch versichert war, so bleibt der Leistungsanspruch dieser gegenüber für eben diese Leistungen grundsätzlich auch dann bestehen, wenn die betreffende Person nicht mehr Mitglied der Krankenkasse ist. Der Anspruch geht in einem solchen Fall zunächst nicht dadurch unter, dass der Arzt erst nach Beendigung der Mitgliedschaft dem Patienten Rechnung stellt. Sodann kann die Anspruchsberechtigung auf Vergütung des Arzthonorars vor allem auch nicht beendet werden durch eine statutarische reglementarische Bestimmung, wonach die Kasse nur dann Leistungen erbringt, wenn ihr die Arztrechnung noch im gleichen Kalenderjahr zugestellt wird, in dem der Arzt den Patienten behandelt hat. Ebensowenig kann eine Bestimmung massgebend sein, welche für den Leistungsanspruch das Rechnungsdatum als entscheidend bezeichnet.

Bei einer derartigen Bestimmung würde die Leistungspflicht der Kasse von der Zufälligkeit abhängen, mit welchem - in seinem Belieben stehenden - Datum der Arzt seine Honorarrechnung versieht bzw. wann er sie dem Patienten zustellt. Realistischerweise kann einem Patienten nicht zugemutet werden, dass er seinem Arzt eine Frist setzt, innert der er ihm die Honorarrechnung - für eine beendete noch andauernde Behandlung - zuzustellen hat. Es ist offensichtlich, dass eine Kassenbestimmung der umschriebenen Art zu rechtsungleicher Behandlung der Versicherten führen würde. - Ob anders zu entscheiden wäre, wenn ein Versicherter nicht innerhalb nützlicher Frist seit Empfang der Arztrechnung diese der Kasse zustellt, braucht heute nicht geprüft zu werden.

Die in Ziffer 3 des Reglementes der Krankenkasse B über Zahnpflegeversicherung getroffene Ordnung, wonach für den Leistungsanspruch in einem bestimmten Kalenderjahr das Rechnungsdatum massgebend ist, widerspricht den dargelegten Grundsätzen, die sich im Rahmen des Bundesrechts halten. Daran ändert die Tatsache nichts, dass das erwähnte Reglement vom Bundesamt für Sozialversicherung am 27. Juli 1984 genehmigt worden ist.

b) Der Beschwerdeführer war bis zum 31. Dezember 1992 unbestrittenermassen Mitglied der Krankenkasse B mit allen einem Kassenmitglied zustehenden statutarischen und reglementarischen Leistungsansprüchen und Pflichten. Er hatte somit Anspruch auf die Rückvergütung der Kosten der bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführten ärztlichen Behandlungen. Diese Ansprüche gingen - entgegen der Auffassung der Kasse - nicht dadurch unter, dass der behandelnde Zahnarzt Dr. C für die während der Kassenmitgliedschaft am 5. Dezember 1992 erfolgte Konsultation erst am 6. Januar 1993 Rechnung stellte. Massgebend für die Leistungspflicht der Krankenkasse B ist ausschliesslich der Zeitpunkt der ärztlichen Behandlung. Und da die Honorarnote für die Behandlung vom 5. Dezember 1992 bereits am 6. Januar 1993 dem Beschwerdeführer zugestellt und von diesem sicher noch vor dem 15. Januar 1993 an die Kasse weitergeleitet wurde, gelangte diese innerhalb angemessener Frist in deren Besitz.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer gegenüber der Krankenkasse B im Rahmen des KUVG Anspruch auf die statutarischen und reglementarischen Leistungen für die am 6. Januar 1993 in Rechnung gestellte zahnärztliche Behandlung hat.



Die gegen dieses Urteil eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde vom Eidg. Versicherungsgericht abgewiesen.

Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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